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Meinung

Frauen in der IT Zwei Generationen Frauen von Proffix im Gespräch

Frauen sind in IT-Berufen stark untervertreten. Laut Bundesamt für Statistik betrug der Anteil an erwerbstätigen IT-Spezialistinnen 2019 nur gerade 18%. Proffix steht mit 25% Frauen in IT-bezogenen Funktionen vergleichsweise gut da. Im Gespräch erzählen Geschäftsleitungsmitglied Eveline Kalberer und die Lernende Nicole von Däniken über ihre Erfahrungen in einer Männerdomäne.
Nicole von Däniken, wie hat das Umfeld auf deinen Berufsentscheid reagiert?

NvD Mein Vater war von Anfang an begeistert. Als Hobby-Informatiker liess er mich immer am Computer mittüfteln. Hingegen konnten meine Lehrpersonen in der Oberstufe mit meinem Berufswunsch nichts anfangen. Sie meinten, technische Berufe seien nichts für mich und ich solle mich doch für einen Pflegeberuf bewerben. Dies sei doch eher etwas für Frauen. Meine Eltern haben mich jedoch stark darin ermutigt, meinem Traum zu folgen und eine Lehrstelle in der IT zu suchen.

Wie hast du den Einstieg erlebt? Ist die Förderung junger Frauen ein Thema?

NvD Ich war enorm überrascht, wie wenig Frauen wir im Informatiklehrgang sind. Pro Klasse gerade mal eine oder zwei, was einem Anteil von fünf bis zehn Prozent entspricht. Der tiefe Frauenanteil ist in der Berufsschule jedoch kein Thema. Deshalb haben sich mein Berufsbildner Jürg Danuser, der die Entwicklung leitet, und ich entschieden, etwas dagegen zu tun. Wir besuchen nun aktiv die ersten Oberstufenklassen und stellen die Informatiklehre vor.  Dieser frühe Zeitpunkt ist wichtig, weil dann die Berufswahl erst beginnt und die Jugendlichen noch sehr offen sind.

 

«Meine Lehrpersonen meinten, ich solle mich für einen Pflegeberuf bewerben. Dies sei doch eher für Frauen.»

Nicole von Däniken
Lernende Informatik

 

Eveline Kalberer, als du ins Berufsleben eingestiegen bist, gab es noch keine Informatik-Berufslehre. Wie verlief dein Weg?

EK Wie viele absolvierte ich zuerst eine KV-Lehre. Der Einstieg in die IT erfolgte kurz nach meiner Ausbildung in einer Computerschule, wo ich Anwenderkurse gab und mit der ERP-Welt und mit Proffix in Berührung kam. Die vielseitigen Anforderungen und Fragen der Kundinnen und Kunden aus dem Finanzbereich interessierten mich. So entschied ich, ins Rechnungs- und Personalwesen eines KMU zu wechseln, wo ich fünf Jahre Berufserfahrung sammelte und mich parallel weiterbildete. Mit dem erlernten Know-how konnte ich ins Produktmanagement einsteigen und in die IT zurückkehren.

Wie hat sich deine Rolle in einem IT-Unternehmen in den vergangenen Jahren verändert?

EK Als ich vor über zehn Jahren zu Proffix kam, waren wir ein kleineres Team und ich konnte mich fachlich enorm weiterentwickeln. Mittlerweile sind wir deutlich grösser und verfügen in den einzelnen Disziplinen über mehr Fachleute. Dies erfordert mehr Organisation und Koordination. Als einzige Frau in der Geschäftsleitung bin ich der Ruhepol und bringe neben meinen manchmal schnell euphorisch reagierenden Kollegen eine etwas andere Sichtweise ein.

 

«Frauen fehlt es an Vorbildern und an Selbstvertrauen, wodurch ihr Potenzial oft nicht erkannt wird.»

Eveline Kalberer
Mitglied der Proffix Geschäftsleitung

 

 

 
Welchen Vorurteilen begegnet Frau (noch immer) in dieser Branche?

NvD Sprüche wie «Frauen hätten keine Ahnung von Technik» oder «das logische Denken fehle halt», sind immer noch oft zu hören. Wir müssen uns definitiv mehr beweisen als unsere männlichen Kollegen. In der Schule merke ich auch, dass sich die Männer nicht gerne von uns Frauen helfen lassen oder uns nicht um Hilfe bitten, obwohl wir es könnten. Das verstehe ich nicht.

EK Gerade in technischen Berufen fehlt es den Frauen an Vorbildern und an Selbstvertrauen, wodurch ihr Potenzial oft nicht erkannt wird. Sie machen sich mehr Druck und hinterfragen schnell ihr Können. Auch ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht vorstellen können, in einer Führungsposition bestehen zu können. Heute kann ich andere junge Frauen nur ermutigen und bestärken, für sich einzustehen und ihren Träumen zu folgen, egal, was andere denken und sagen. Ich hoffe, hier als Mutter mit Führungsposition ein Vorbild sein zu können.

 

 

Der Frauenanteil in der IT stagniert seit Jahren. Was ist nötig, damit er schneller steigt?

EK Es braucht sicher mehr moderne Arbeitszeitmodelle. Dass ich als Mutter und Mitglied der Geschäftsleitung mit einem reduzierten Arbeitspensum arbeiten kann, ist immer noch selten. Gemischte Teams sind in der IT enorm wichtig. Damit Frauen auch nach einer Babypause ins Unternehmen und in den Beruf zurückkehren, müssen Unternehmen flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen und das Jobsharing fördern. Hand-in-Hand mit dieser Diskussion geht natürlich auch die Forderung nach Lohn- und Chancengleichheit.

 

«Technische Berufe brauchen ein weibliches Gesicht.»

Nicole von Däniken

 

Was sollte sich speziell in den Schulen ändern, damit sich mehr Mädchen für IT interessieren?

NvD Es muss endlich mit diesen Stereotypen aufgeräumt werden. Die Lehrpersonen sollen die Mädchen, aber auch die Jungen ermutigen, dass zu lernen, was sie glücklich macht und sie nicht in einen Frauen- oder Männerberuf zwängen. Ausserdem ist es wichtig, dass Lernende wie ich ihren Beruf vorstellen können und technischen Berufen ein weibliches Gesicht geben. Junge Menschen müssen sehen, dass es Frauen in dieser Branche gibt.

 

Darauf kommt es an
Frauen in der IT

Die Zahlen bestätigen es: Der Frauenanteil in der IT-Branche ist seit Jahren gleich niedrig. Dabei fehlen der Schweiz laut Schätzungen des Verbands ICT-Berufsbildung bis 2028 rund 36'000 Fachkräfte. Doch was braucht es, um Frauen für die IT zu gewinnen?

  1. Flexible Arbeitsmodelle
    Moderne Arbeitsmodelle mit Home-Office-Lösungen, flexiblen Arbeitszeiten und Jobsharing-Möglichkeiten sind für die langfristige Bindung von IT-Fachspezialistinnen eine wichtige Voraussetzung und bilden Anreize, Führungspositionen zu übernehmen.

  2. Gleicher Lohn Gleiche Chancen
    Die Saläre der Frauen müssen den Männern angepasst sein und es muss Frauen dieselbe Chance geboten werden, in eine führende Position berufen zu werden.

  3. Gemischte Teams
    Erhöht sich der Anteil an Frauen im Unternehmen, verändert sich auch der Umgang in den Teams und die Kultur. Die Praxis zeigt, dass gemischte Teams oft die besten Ergebnisse liefern. Ein Potenzial, das in der IT noch wenig genutzt wird.

  4. Aktiv werden
    Mit Teilnahmen an Berufsmessen, an Anlässen von Hochschulen und anderen Bildungsinstituten sowie mit Vorträgen an Schulen bieten sich der Zugang zum Nachwuchs und die Chance, den vorherrschenden Stereotypen entgegenzuwirken.

 

Sind Frauen innerhalb der IT-Branche in der Schweiz speziell miteinander vernetzt?

EK Ich spüre, dass sich vor allem bei der jüngeren Generation langsam etwas tut. Die «Women in Tech» Community der IAMCP fördert beispielsweise das Netzwerk unter Frauen im Microsoft-Ökosystem, was eine tolle Sache ist. Auch Plattformen wie LinkedIn sind prädestiniert, dass sich Frauen einer bestimmten Branche vernetzen können.

IT-Projekte sind Teamleistung. Was verändert sich mit den Frauen?

EK Ich merke oft, dass die Kommunikation anders verläuft, wenn ich dabei bin, als wenn die männlichen Kollegen unter sich sind. Auch höre ich immer wieder, dass nur schon meine Anwesenheit zu einer anderen Atmosphäre beitrage. Ich denke, in IT-Projekten sind generell Diversität und verschiedene Sichtweisen und Erfahrungen wichtig. Gemischte Teams schaffen eine gute Dynamik.

NvD Bei Proffix werde ich als Lernende und noch junge Berufsfrau sehr ernst genommen und sehr geschätzt. Ich wünsche mir, dass mehr Frauen künftig den Mut haben, den Weg in die IT einzuschlagen und zu spüren, wie kreativ und vielseitig dieser Beruf ist und wie viele Perspektiven er bietet. Das Thema Frauen in der IT sollte möglichst bald keines mehr sein.